Forschung | 30.11.2023
In einem inspirierenden Austausch haben wir auf dem Bürgerfest anlässlich des Tags der Deutschen Einheit 2023 in Hamburg viele Gespräche mit unseren Gästen geführt. Dabei haben wir Fragen von engagierten Bürger:innen gesammelt. Unser Team von Wissenschaftler:innen hat sich mit großer Begeisterung daran gemacht, diese eingehend zu beantworten. Wir laden Sie herzlich ein, auf dieser Seite durch den Dialog zu stöbern.
Wie viele (russische) Hackerangriffe auf europäische, unabhängige Verlagshäuser gibt es seit Beginn des russischen Angriffskriegs?
Sanktionsforschung am GIGAPolitisch motivierte Hackerangriffe sind nicht erst seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ein Problem. So attackierte die „Fancy Bear“-Hackergruppe im März 2021 durch gefälschte E-Mail-Nachrichten (Phishing-E-Mails) die Konten von mindestens sieben Bundestagsabgeordneten. Es wurde vermutet, dass der russische Geheimdienst GRU hinter dem Angriff steckt. Ein Hackerangriff auf estnische Internetseiten ereignete sich auch im August 2022, als das baltische Land beschloss, sowjetische Denkmäler zu entfernen. Im April 2022 ist außerdem Finnland Opfer eines Hackerangriffs geworden, als dort der ukrainische Präsident eine Video-Botschaft im Parlament hielt.
Russische Hackerangriffe auf europäische Verlagshäuser seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine sind uns nicht bekannt. Der Hackerangriff auf das KaDeWe in Berlin Anfang November, der der russischen Gruppe „Play“ zugeschreiben wird, zeigt, dass nicht nur öffentliche Einrichtungen, sondern auch große Firmen betroffen sind. Es könnte in Zukunft also auch Verlage treffen. Ein Beispiel dafür lässt sich in den USA finden, wo der Macmillan Verlag – einer der zehn größten Verlage in den USA – im Juni 2022 Opfer eines Cyberangriffs geworden ist. Um auf die Gefahr von – nicht nur russischen – Hackerangriffen zu reagieren, hat die Europäische Union den rechtlichen Rahmen geschaffen, um mit Sanktionen auf solche Vorfälle zu reagieren. Die ersten Sanktionen dieser Art, die Reisebeschränkungen und das Einfrieren von Vermögen zur Folge haben, wurden 2020 gegen zwei chinesische und vier russische Staatsangehörige sowie gegen drei Organisationen verhängt.
Wie erhalte ich Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen?
Publikationen des GIGAWenn Sie öffentlichen Zugang zu der Bibliothek einer Universität oder einer Forschungseinrichtung haben, können Sie hier auf wissenschaftliche Publikationen zugreifen. Viele Bibliotheken haben Lizenzen für verschiedene Fachzeitschriften und Datenbanken, die Sie online oder vor Ort einsehen können. So auch das GIGA-Informationszentrum, das allen Interessierten offen steht! In den jeweiligen Bibliothekskatalogen können Sie thematisch suchen, was Sie interessiert.
Viele nationale und internationale Forschungseinrichtungen veröffentlichen ihre Forschungsergebnisse in Publikationen, die sie auf den Instituts-Websites frei zugänglich zur Verfügung stellen (Open Access). Auch das GIGA veröffentlicht seine Forschungsergebnisse und ein nicht geringer Teil davon ist Open Access. Hier können Sie sich über die Publikationen des GIGA einen Überblick verschaffen.
Wie wird erreicht, dass der Intellekt die instinktiven Ängste, z.B. beim Thema der Migration, im Griff behält?
Migrationsforschung am GIGAÄngste vor Migration sind leider weit verbreitet. In aller Regel geht es dabei nicht um Angst vor der eigenen Migration – Sie sind ja vielleicht bereits innerhalb Deutschlands einmal umgezogen, und daher als Binnenmigrant:in einzuordnen; vielleicht haben Sie auch schon einmal längere Zeit im Ausland verbracht, sind also über internationale Grenzen migriert.
Stattdessen bezieht sich Angst vor Migration in aller Regel auf die Ankunft von Gruppen, die als „anders“, „fremd“, und potenziell „gefährlich“ wahrgenommen werden. Es ist sinnvoll, sich hier mit zwei Fragen auseinanderzusetzen. Erstens: Warum halten Sie solche Ängste für „instinktiv“, wie Sie schreiben? Eigentlich ist das sehr unlogisch und nicht von Fakten getragen. Nur ein winziger Bruchteil der Weltbevölkerung bewegt sich überhaupt für längere Zeit über internationale Grenzen; die allermeisten Menschen haben gar nicht die Ressourcen, die für Migration notwendig sind, und bleiben deshalb in ihren Staaten bzw. Regionen. Und wiederum nur sehr wenige dieser Migrant:innen bewegen sich nach Europa und/oder Deutschland. Noch dazu ist Migration in der Menschheitsgeschichte eigentlich das Normale, Sesshaftigkeit ist eine vergleichsweise neue Erfindung, Nationalstaaten erst recht. Warum sollte man also vor Menschen Angst haben, die den Wohnort wechseln?
Zweitens ist es empfehlenswert, sich immer wieder selbst zu fragen, vor welchen Migrant:innen man denn eigentlich Angst hat, und warum. Was weiß ich über diese Gruppen? Aus welchen Quellen beziehe ich meine Informationen? Habe ich direkten Kontakt mit Migrant:innen, oder stütze ich mich auf erlernte Stereotype und Vorurteile? Warum habe ich vor manchen Gruppen Angst, vor anderen aber nicht? Auch hier helfen Fakten, zum Beispiel ein Blick in Polizeistatistiken zu Kriminalität und politisch motivierten Straftaten, die zeigen, dass rechtsextreme Gewalt eine viel größere Gefahr ist als Straftaten, die von eingewanderten Personen verübt werden. Mir persönlich hilft auch sehr der direkte Kontakt mit eingewanderten Mitmenschen, um zu verstehen, warum Menschen hierherkommen, welche Hoffnungen sie mitbringen, und oft eben auch, wie ähnlich unsere Wünsche für ein „gutes Leben“ sind.
In welchem Umfang unterstützen Menschen mit Migrationshintergrund die deutsche Wirtschaft? Gibt es eine Berechnung des Ertrags von Investitionen in die Flüchtlingsintegrationshilfe?
Migrationsforschung am GIGAZunächst stellt sich die Frage, ob Menschen einen wirtschaftlichen Wert haben müssen. Wenn ja, haben sie alle oder nur einige? Und warum?
Zweitens wäre die deutsche Wirtschaft nicht das, was sie heute ist, ohne die Millionen von italienischen, türkischen, griechischen usw. "Gastarbeiter:innen", die in den 1950er und 60er Jahren nach Deutschland eingeladen wurden, um den Wohlstand aufzubauen, von dem Deutschland heute noch lebt. Viele Wirtschaftszweige (Landwirtschaft, Automobilbau, Baugewerbe, Teile des Gesundheitswesens wie die Pflege usw.) würden ohne Arbeitskräfte aus dem Ausland zusammenbrechen – einige von ihnen sind Saisonarbeitende, andere sind dauerhafte Migrant:innen. Auch die Menschen aus Syrien und Afghanistan, die 2015/16 nach Deutschland gekommen sind, haben dazu beigetragen, den Fachkräftemangel in einer Reihe von Industriezweigen zu bekämpfen, indem sie die vielen bisher unbesetzten Lehrstellen besetzt haben. In gewisser Weise gilt dies auch für die zugewanderten Ukrainer:innen.
Dabei spielen zwei Faktoren eine Rolle: A) Deutschland stirbt aus. Die deutsche Gesellschaft ist bereits überaltert und es werden nicht mehr genügend Kinder geboren, um die aktuellen Bevölkerungszahlen und damit die Wirtschaft und die Sozialsysteme aufrechtzuerhalten. B) Menschen, die zuwandern, sind in der Regel gebildet und relativ wohlhabend. Migration braucht Ressourcen – man muss für jeden Schritt des Weges bezahlen und man muss in der Lage sein, die manchmal extrem gefährlichen Migrationsrouten zu bewältigen.
Inwieweit war das GIGA oder andere Institute bei der Verfassung der „China-Strategie“ involviert?
Forschung zu China am GIGAFederführend hatte das Auswärtige Amt die Gestaltung der China-Strategie der Bundesregierung inne. Es gab verschiedene Arbeitsgruppen, zu denen verschiedene Organisationen eingeladen worden waren. Dabei hatte die DGAP eine koordinierende Funktion inne. GIGA hat keine Einladung zu einem der Arbeitskreise erhalten.
Jedermann weiß, dass Erdöl nicht ins Meer gehört und weiß, dass es in der Nahrungskette nicht vorhanden sein darf. Wieso wird es dann immer noch in der Medizin ungeniert verordnet?
Erdöl wird neben der Energiegewinnung auch für die Herstellung von Kunststoffen und auch für die Herstellung von Medikamenten, z.B. Aspirin oder Ibuprofen. Leider gelangen Erdölprodukte auch oft ins Meer, weil Firmen und Konsumenten nachlässig sind oder es keine gesetzlichen Regelungen gibt. Erdöl lässt sich aber nicht ohne Weiteres für die Medikamentenherstellung ersetzen. Hier muss noch geforscht werden.
Vielen Dank an alle, die ihre Fragen eingereicht haben und unseren engagierten Wissenschaftler:innen, die diese Initiative ermöglicht haben. Der Dialog zwischen Bürger:innen und Wissenschaft reflektiert das Bestreben des GIGA, seine Forschungsergebnisse der interessierten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Haben auch Sie Fragen zu unserer Forschungsarbeit? Zögern Sie nicht, uns zu eine E-Mail zu schreiben an: [email protected].
UmfrageWillkommen bei der Online-Umfrage von Transfer for Transformation (T4T)! Nach einem erfolgreichen Pilotlauf anlässlich des Bürgerfests in Hamburg zum Tag der Deutschen Einheit freuen wir uns, Ihnen "Ihre Fragen, Unsere Expertise" vorzustellen, eine Umfrage, die darauf abzielt, den Wissensaustausch zwischen uns und Ihnen voranzutreiben. Ihre Perspektive ist entscheidend für die Gestaltung von Diskussionen zu internationalen Angelegenheiten. Wir laden Sie ein, Ihre Gedanken beizutragen und uns dabei zu helfen, ein tieferes Verständnis für die vielfältigen Interessen und Anliegen der Öffentlichkeit in Deutschland, im Globalen Süden und weltweit zu gewinnen.
Nehmen Sie sich einen Moment Zeit, um Ihre Ansichten zu teilen, indem Sie an "Ihre Fragen, Unsere Expertise" teilnehmen.
Durch die Auseinandersetzung mit Ihren Standpunkten hoffen wir nicht nur, unsere Forschung zu bereichern, sondern auch einen lebendigen öffentlichen Ideenaustausch zu fördern. Vielen Dank, dass Sie ein wesentlicher Teil von "Ihre Fragen, Unsere Expertise" sind, so treiben wir gemeinsam den Wissensaustausch voran!