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Wahlen in Indien: Lackmustest für die globale Klimapolitik

Nummer 2 | 2019 | ISSN: 1862-3581


  • Eine Straße in Neu-Delhi im Smognebel.
    © Reuters / Anushree Fadnavis
    Eine Straße in Neu-Delhi im Smognebel.
    © Reuters / Anushree Fadnavis

    • Indien ist als momentan drittgrößter Emittent von CO2 und als am ­schnellsten wachsende Volkswirtschaft für eine effiziente globale Klimapolitik als ­zentraler Akteur unabdingbar. Premierminister Modi hat sich beispielsweise mit der Gründung der International Solar Alliance international einen guten Ruf erarbeitet. Auf nationaler Ebene überwiegen jedoch Berichte über die wachsende Luftverschmutzung und die Priorisierung von Industriebelangen vor Klimaschutzanliegen.

    • Mit der Wiederwahl von Narendra Modi zum indischen Premierminister gibt es jetzt die Möglichkeit, die nationale und globale Klimapolitik neu auszurichten. Ein Blick in die Wahlprogramme der beiden wichtigsten Parteien in Indien sowie die Analyse der dominierenden Wahlthemen zeigen allerdings, dass Umwelt- und Klimathemen von allen Parteien stark nachrangig behandelt werden.

    • Ein Vergleich mit anderen einflussreichen Akteuren im globalen Klimaregime, die sich in der Zeit von „Fridays for Future“ wichtigen Wahlen gestellt haben oder stellen müssen (Australien, Brasilien, EU, Indonesien), zeigt deutlich, dass die Bedeutung des Klimawandels auf der politischen Agenda immer mehr wächst. Dennoch müssen Wähler gezielt mobilisiert werden, wenn sich umweltpolitische Belange auch in den Wahlergebnissen niederschlagen sollen.

    Fazit

    Für die in der zweiten Jahreshälfte stattfindenden globalen ­Klimaverhandlungen ist das Wahljahr 2019 richtungsweisend. Die bisherigen Wahlergebnisse weisen jedoch darauf hin, dass wachsendes Problembewusstsein kein Garant für eine progressive Klimapolitik ist. Wenn auf deutscher oder europäischer Ebene Interesse an konstruktiver Zusammenarbeit für den Klimaschutz besteht, ist eine intensive Zusammenarbeit mit Indien, insbesondere auch mit der Zivilgesellschaft, unabdingbar.

    Klimaverhandlungen im Jahr 2019

    Die 24. Konferenz der Vertragsstaaten (Conference of the Parties) der VN-Klimarahmenkonvention, die vom 2. bis 14. Dezember 2018 im polnischen Katowice stattfand, hatte das Mandat, das sogenannte „Regelbuch“ für die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens aus dem Jahr 2015 abschließend zu verhandeln. Die Mitgliedstaaten diskutierten zudem die klimapolitischen und finanziellen ­Maßnahmen, die bis zum Jahr 2020, also bis zum Inkrafttreten des Pariser Abkommens, zu ergreifen sind. Beide Mandate sind zum Großteil zumindest formell erfüllt worden. Im Jahr 2019 werden diese Diskussionen in verschiedenen Foren wieder aufgenommen, wie z.B. in dem vom UN-Generalsekretär im September 2019 parallel zur 74. UN-Voll­versammlung in New York veranstalteten „Climate Action Summit 2019“ und der 25. Conference of the Parties (COP25), die im Dezember 2019 in Chile stattfinden wird. Im Jahr für den Klimaschutz 2019 sollen demnach insbesondere die Implementation der Regeln sowie die notwendige und vereinbarte Verschärfung der Klima­ziele der Mitgliedstaaten bevorzugt thematisiert werden. Ziel ist es, während der 25. COP die revidierten Klimaziele auszuarbeiten und die langfristigen Strategien vorzubereiten, damit deren Verhandlung voraussichtlich im Jahr 2020 abgeschlossen werden kann. Diese Gemengelage macht das Jahr 2019 zu einem entscheidenden Jahr für die globale Klimapolitik.

    Caroline Schmidt, die chilenische Umweltministerin und Präsidentin der nächsten COP in Santiago, drückt das wie folgt aus: „Die Staaten ­stehen vor der COP25 vor großen Herausforderungen: Sie müssen den Sprung von Verhandlungen zur eigentlichen Implementation schaffen und dabei den Ehrgeiz ­ihrer Aktionen im Kampf gegen den Klimawandel stark erhöhen“. Die COP muss darüber entscheiden, nach welchen Vorgaben sowohl die globalen also auch die jeweils nationalen Klima­ziele regelmäßig nach oben angepasst werden. Zudem steht auf der chilenischen Agenda die bessere Integration der Adaption an den Klimawandel sowie die Stärkung der Klimafinanzierung, „Capacity Building“ und der Technologietransfers. Dies sind allerdings Themen, die bereits seit langem diskutiert werden, für die aber noch keine, für alle Mitglieder zufriedenstellende Lösung gefunden wurde.

    In einigen der wichtigsten demokratischen Mitgliedstaaten, deren innenpolitische Machtverhältnisse ausschlaggebend für die Beteiligung im Klimaregime sind, fanden und finden in den Jahren 2018 und 2019 Wahlen statt. Dazu gehören zum Beispiel Brasilien, Indonesien, Australien, einige Länder Europas, Kanada und Indien. Der Ausgang dieser Wahlen wird die Klimaverhandlungen im Jahr 2019 maßgeblich beeinflussen, was insbesondere für Indien gilt. Der vorliegende Focus basiert auf Daten eines Forschungsprojektes (Plagemann und Prys-Hansen 2018, Prys-Hansen 2019) zur Zuschreibung von Verantwortung in der internationalen Klimapolitik. Hierfür wurden seit dem Jahr 2002 über 60 Reden und Mitteilungen indischer Regierungsvertreter untersucht.

    Indien im globalen Klimaregime

    Indien nimmt im globalen Klimaregime konsequent eine Position als Entwicklungsland und Vertreter des Globalen Südens ein. Diese Position zeigt sich beispielsweise in der Zurückweisung von historischer als auch zukünftiger verpflichtender Verantwortung. Aussagen, die eine solche Position untermauern, finden sich insbesondere in den frühen 2000ern wieder:

    „Indiens Beitrag – und in der Tat der Beitrag aller Entwicklungsländer – zum Gehalt von Treibhausgasen in der Atmosphäre ist sehr klein im Vergleich zum Beitrag der Industrieländer. Dies wird sich auch für mehrere Jahrzehnte nicht verändern. Tragischerweise sind es aber genau die Entwicklungsländer, die unverhältnismäßig unter den negative Folgen des Klimawandels leiden werden.“ (Premierminister Atal Bihari Vajpayee, Statement auf der 8. COP 2002 in New Delhi).

    Solche Sichtweisen sind über die Zeit hinweg bis heute ein fester Bestandteil indischer Klimarhetorik (Plagemann und Prys 2018). Gleichzeitig hat sich insbesondere unter Premierminister Modi (seit 2014 im Amt) eine zusätzliche Selbstdarstellung herausgebildet und Indien wird seitdem als „vorbildlicher globaler Akteur mit globaler Verantwortung“ hervorgehoben. Indiens historisch und religiös bedingte „grüne Identität“ wird betont, etwa im Einleitungssatz der indischen „national festgelegten Beiträge“ (Nationally Determined Contributions oder NDCs), in denen die Staaten ihre Ziele zur Emissionsminderung von Treibhausgasen festlegen.

    „Indien hat eine lange Geschichte und Tradition der harmonischen Koexistenz zwischen Mensch und Natur. Die Menschen hier haben Fauna und Flora als Teil ihrer Familie betrachtet. Dies ist Teil unseres kulturellen Erbes und spiegelt sich in unserem Lebensstil und unseren traditionellen Bräuchen wider. Wir repräsentieren eine Kultur, die unseren Planeten Mutter Erde nennt“.

    Im Oktober 2018 verlieh UN Generalsekretär Antonio Guterres ­Premierminister Modi den „Champions oft he Earth Award“ für seinen Beitrag im Bereich von Umwelt und Umweltschutz. Diese Selbstdarstellung (Mohan 2018) und solche Preise attestieren Indien einen grundlegenden Wandel vom Verweigerer zum Führer beim Klimaschutz. Die Realität ist allerdings komplexer.

    Insbesondere die nationale Klima- und Umweltpolitik scheint den zahlreichen Herausforderungen nicht gewachsen zu sein. Indien kann sich mit der wenig löblichen Einordnung als „das am meisten verschmutzte Land der Welt“ (Bernard und Kazmin 2018) „schmücken“. Während viele Beobachter die bestehenden Probleme zurecht auf wirtschaftshistorisch begründete mangelnde Kapazitäten und Technologien zurückführen, spielt auch die Tatsache eine Rolle, dass insbesondere unter Premierminister Narendra Modi wichtige staatliche Umweltregeln abgeschafft wurden. Die Bharatiya Janata Party (BJP) des Premiers brüstet sich im Wahlprogramm des Jahres 2019 damit, Umweltgenehmigungen von Industrieprojekten besonders schnell und erfolgreich zu erteilen, eine Tatsache, die insbesondere von Umweltschützern in Indien heftig kritisiert wird (Banerjee 2018).

    Die (notwendige) wirtschaftliche Entwicklung Indiens hängt zudem stark von der Kohle ab. Dies führt dazu, dass Indien – je nach Betrachtungsweise der EU – als dritt- oder viertgrößter Emittent von Treibhausgasen gilt – mit anhaltend steigender Tendenz. Auch wenn sich Indien ehrgeizige Ziele im Bereich der erneuerbaren Energien gesetzt hat, ist es in seiner Energieversorgung weiterhin zum Großteil von Kohle abhängig. In der Tat, während der Kohleverbrauch aller anderen ­großen Emittenten im Klimaregime entweder ein stabiles Plateau erreicht hat oder gar sinkt, steigt der Verbrauch in Indien weiter an (BP Energy Outlook 2019: 7).

    Mit dem Klimawandel sind in Indien, wie anderswo, viele andere Probleme ­direkt oder indirekt verbunden. Dabei sticht vor allem die Luftverschmutzung hervor. Eine Studie, die in „The Lancet“ veröffentlicht wurde, zeigte, dass im Jahr 2017 1,24 Millionen oder 12,5 Prozent aller Todesfälle in Indien auf Luftverschmutzung zurückzuführen sind (Balakrishnan et al. 2019). Die Dramatik der Lage verdeutlicht der „Global Air Quality Bericht“, der bestätigt, dass 15 der 20 am meisten verschmutzten Städte der Welt in Indien liegen (Tabelle 1). Diese Städte erreichen im Jahresdurchschnitt das 10 bis 13-fache der Feinstaubkonzentration, die laut WHO nicht überschritten werden sollte. Diese und weitere Faktoren, wie die Verschmutzung der Flüsse und mangelndes Abfallmanagement, führten dazu, dass Indien im Global Environmental Performance Index auf Platz 177 von 180 liegt (im Jahr 2014 fand Indien sich auf Platz 155 wieder) (Environmental Performance Index 2018). Diese Fakten stellen die Legimitation der eigenen Selbstdarstellung als Führer beim Klimaschutz in Frage.

    Städte mit der weltweit höchsten Feinstaubbelastung
    © World Air Quality Report, 2018.
    Tabelle 1 Städte mit der weltweit höchsten Feinstaubbelastung PM 2,5 (particulate matter 2.5 ist eine Art von Feinstaub mit einem maximalen Durchmesser von 2,5 Mikrometern)
    Städte mit der weltweit höchsten Feinstaubbelastung
    © World Air Quality Report, 2018.
    Tabelle 1 Städte mit der weltweit höchsten Feinstaubbelastung PM 2,5 (particulate matter 2.5 ist eine Art von Feinstaub mit einem maximalen Durchmesser von 2,5 Mikrometern)

    Klima und Umwelt als Thema im Wahlkampf des Jahres 2019

    Indien ist eines der Länder, das unter den Folgen des Klimawandels weltweit am meisten leiden wird. Beispielsweise werden landwirtschaftliche Einkommen wegen geringeren Regens und steigender Temperaturen sinken. Die an der Küsten lebende Bevölkerung wird häufiger mit Fluten und steigendem Meeresspiegel konfrontiert werden. Aufgrund der wachsenden Unzuverlässigkeit des Monsuns ist auch die Trinkwasserversorgung zumindest saisonal bedroht.

    Trotz dieser bekannten Tatsachen waren der Klimawandel und der Umweltschutz kaum ein Thema im Wahlkampf der beiden großen (aber auch der zahlreichen anderen) Parteien in Indien im Jahr 2019. Im Vergleich der Wahlprogramme von BJP (Bharatiya Janata Party) und INC (Indian National Congress) ist zu ­sehen, dass sowohl die Anzahl als auch die Reichweite umweltpolitischer Politikvorschläge angewachsen ist. Die Parteien versprechen, sich der Luftverschmutzung, ­saubereren Flüssen, dem Waldschutz, dem Himalaya und insbesondere erneuerbaren ­Energien zu widmen. Zur Bekämpfung der Luftverschmutzung stellt die regierende BJP ein umfassendes „Clean Air Programm“ in Aussicht, das die Verschmutzung in 102 Städten in den nächsten fünf Jahren um 35 Prozent senken soll. Die Kongresspartei erkennt Luftverschmutzung als nationalen Gesundheitsnotstand an, nennt aber keine spezifischen Ziele oder Zeitabläufe, um diesbezügliche Verbesserungen vorzunehmen. Außerdem sind diese Themen bereits in den Wahlprogrammen sehr untergeordnet und finden sich jeweils ganz am Ende einer langen Liste von Versprechungen. Viel wichtiger in der Einschätzung der Bedeutung von Klima in den Wahlen im Jahr 2019 ist jedoch, dass Klimapolitik in den eigentlichen Kampagnen und Wahlkampfreden nicht aufgegriffen wurde. Auch scheinen Klimawandel und Umweltverschmutzung (mit der Ausnahme von Luftverschmutzung) kein Thema zu sein, das Wähler mobilisiert hat (India Today 2019).

    Die Partei von Premierminister Modi hat die Wahl im Jahr 2019 mit überwältigender Mehrheit gewonnen und konnte ihre Stimmenanteile im Vergleich zum Jahr 2014 noch einmal steigern. Kombiniert mit den Stimmen der anderen Parteien der Koalition, die die BJP anführt, kommt die BJP auf 303 Sitze (von 545). Der INC ist hingegen mit 52 Sitzen weit hinter den Erwartungen zurück geblieben. Daher geht Narendra Modi gestärkt aus der Wahl hervor. Belange von Klima und Umwelt haben dabei aber keine Rolle gespielt. Indien wird in der Außenpolitik aller Voraussicht nach den eingeschlagenen Pfad der Suche nach mehr Einfluss und Gewicht in der globalen Politik weiter verfolgen. Dabei ist – neben dem Dauerbrenner des Konfliktes mit Pakistan – die Auseinandersetzung mit China das wichtigste Thema (Pant 2019). Engagement in verschiedenen Politikfeldern, also auch der Klimapolitik, war und bleibt Mittel zum Zweck.

    Für die globale Klimapolitik kann dies ein Problem werden. Die Größe der Bevölkerung Indiens und die vorherzusehende wirtschaftliche Entwicklung bedeuten, dass Indien ausschlaggebend für die Erreichung der globalen Klimapolitik bleibt. Indiens Schlüsselrolle beruht auf folgenden absehbaren Entwicklungen: Wenn Indien in seiner Entwicklung einem „high-carbon“ Pfad folgt, wird es für die Weltgemeinschaft keine Chance geben, den durch den Klimawandel ausgelösten Temperaturanstieg unter dem 2°C Ziel zu halten (Chatzky 2019). Der Bedarf nach neuen Energieinfrastrukturen wird angesichts des Bevölkerungswachstums und der relativen Energiearmut aber selbst beim Einschlagen eines „grünen“ Entwicklungspfades mindestens zu einer Verdopplung des Energiekonsums bis zum Jahr 2030 führen. Starke Urbanisierungstendenzen lassen erwarten, dass es in Indien dann 200 Millionen Stadtbewohner geben wird, die neue Gebäude, Straßen und Transportmittel benötigen. Klimafreundliche Entwicklungen könnten sich dann jedoch aufgrund der schieren Masse an notwendigen Investitionen positiv auf die ganze Welt auswirken, da unter anderem die Kosten für Solaranlagen und hocheffiziente LED-Technologien stark sinken könnten (The Guardian 2017).

    Wahlen im Jahr 2019: Eine Chance für gute Klimapolitik?

    Proteste wie „Fridays for Future“ und die Extinction Rebellion (XR) haben Erwartungen geschürt, dass Klimawandel auch in einigen wichtigen Wahlen eine große Rolle spielt. Die Hoffnung ist, dass somit ein Gegengewicht zu den Skeptikern des Klimawandels Donald Trump und Jair Bolsonaros geschaffen werden könnte. Wie der Fall Indien zeigt, garantieren selbst ganz konkrete Betroffenheit und Verletzlichkeit durch den Klimawandel nicht, dass das Thema in Wahlkämpfen und Wahlentscheidungen ausschlaggebend ist.

    Die australische Parlamentswahl im Mai 2019 wurde von Anfang an als „Klimawahl“ porträtiert (Reuters 2019). In der Tat ist Australien eines der vom Klimawandel am meisten bedrohten Industrieländer. Der Sommer 2018-2019 war der ­heißeste seit Beginn der Aufzeichnungen des Klimas mit Dürre und Buschfeuern als Folge. Vor den Wahlen im Jahr 2019 hatte die Grüne Partei Australiens (The Greens) die Wahl zur Klimawahl erklärt. Die Bevölkerung bestätigte die Bedeutung des Themas bei Umfragen. Die Wahlergebnisse vom 18. Mai 2019 entsprechen allerdings nicht den Erwartungen. Die Labour Partei, die in Abgrenzung zu den Liberalen ehrgeizige Klimapolitiken versprach, war der große Wahlverlierer, obwohl Wahlvorhersagen und Experten einen sicheren Wahlsieg prognostizierten. Die Wahlgewinner, die konservativen Liberalen, vertraten im Gegensatz dazu ausdrücklich kohlefreundliche Positionen. Unklar bleibt, ob diese Ergebnisse eine Ablehnung der Klimapolitiken der Labour Partei bedeuten oder ob sie eher eine „Reflektion von Wählersorgen über andere Politiken der Partei sind, die zu höheren Steuern und Ausgaben geführt hätten“ (Russell 2019). Ungeachtet der genauen Beweggründe zeigt die Wahl des Jahres 2019 in Australien, dass die Argumente der Umweltbewegung außerhalb der urbanen Zonen noch zu wenig Durchschlagkraft haben.

    Die Wahlen zum EU Parlament im Frühjahr 2019 hingegen deuten darauf hin, dass zumindest in einigen EU-Mitgliedsländern, insbesondere in Deutschland, Klima­politik ein ausschlaggebender Faktor bei Wahlen sein kann. Hier haben „Die ­Grünen“ ihren Stimmenanteil, vor allem auf Kosten der eher „klimapolitikträgen“ Sozialdemokraten und Christdemokraten, nahezu verdoppelt. Aber auch in anderen Ländern konnten traditionell häufig schwache grüne Parteien zum Teil große Gewinne erzielen. Während eine umfassende Analyse der Bedeutung von Klima und Umwelt bei Wahlentscheidungen in verschiedenen Ländern aussteht, gibt die EU-Parlamentswahl des Jahres 2019 Hoffnung, dass eine Mobilisierung von Wählern über die Klimapolitik unter bestimmten Bedingungen möglich ist. Vor dem Hintergrund der Proteste der sogenannten Gelbwesten in Frankreich gegen eine geplante Kraftstoffsteuer und der Erfolge der Rechtspopulisten ist dies selbst in Europa nicht selbstverständlich. Im Oktober 2019 stehen Wahlen in Kanada an. Ähnlich wie Australien ist Kanadas Wirtschaft stark von fossilen Energieträgern geprägt. Es ist daher fraglich, ob Premierminister Justin Trudeau den Klimawandel zum zentralen Thema seines Wahlkampfes machen wird.

    Engagement politischer und zivilgesellschaftlicher ­Akteure lohnt sich

    Aus den Wahlergebnissen der hier diskutierten Länder können wir trotz ihrer Unterschiedlichkeit einiges lernen. Klimapolitik polarisiert. Dies wird sich sicherlich auch auf der globalen Ebene widerspiegeln, wo sich eine zunehmend klimafreundliche EU klimafeindlichen Populisten, zum Beispiel aus Brasilien und den USA, gegenübersieht. Die Rolle der beiden asiatischen Großmächte Indien und China wird dabei umso wichtiger. Während China glaubhaft eine Führungsrolle im Klima-schutz übernimmt und die entsprechenden nationalen Ergebnisse vorweisen kann (trotz natürlich weiterer großer Probleme im Umweltschutz insgesamt), wird Indien immer mehr zum „Zünglein“ an der Waage. Angesichts der zumindest international progressiven Rhetorik sollten deutsche und europäische Politiker, die die globale Klimapolitik voranbringen möchten, versuchen, indische Politiker, aber auch zivilgesellschaftliche Akteure auf allen Ebenen einzubinden. Aufgrund der mannigfaltigen Bedrohungen durch den Klimawandel sowie der kulturell begründeten, wenn auch rhetorisch überhöhten Verbindung zu Natur kann Indien eine extrem wichtige Rolle im Klimaregime spielen. Dafür lohnt es sich, auf indische Forderungen beispielsweise nach Technologietransfer und ausreichender Klimafinanzierung einzugehen.


    Fußnoten


      Literatur


      Wie man diesen Artikel zitiert

      Miriam Prys-Hansen (2019), Wahlen in Indien: Lackmustest für die globale Klimapolitik, GIGA Focus Global, 2, Hamburg: German Institute for Global and Area Studies (GIGA), http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-62888-2


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