GIGA Focus Africa

Democracy in Africa: Against All Odds

Number 7 | 2017


  • People queue to cast their vote at a polling station during a presidential election re-run in Gatundu, Kenya
    © Reuters / Siegfried Modola
    People queue to cast their vote at a polling station during a presidential election re-run in Gatundu, Kenya
    © Reuters / Siegfried Modola

    Many African countries lack crucial institutional, economic, and societal preconditions for democracy. Despite these difficulties, electoral turnovers have been on the rise since 1990. When institutions alone are too weak to ensure political pluralism, civil society organisations perform important model and watchdog functions.

    • Stable democracies are the smallest group among the sub-Saharan African states; autocracies comprise a demonstrably larger group. But the majority of countries are located in the grey zone between these two poles. These regimes are characterised by a coexistence of formally democratic elections and severe constraints on the political opposition.

    • Periodic electoral turnovers are essential for democracy. They strengthen the population’s and the elite’s confidence in the persistence of political institutions and prevent long-term monopolies on power. Nevertheless, incumbents are still more likely to win elections.

    • Organisations critical of governments are facing increasing restrictions. However, they have been able to sidestep some of this pressure by switching to less organised forms of action. Accordingly, the number of participants at mass demonstrations has quadrupled since 2009.

    Policy Implications

    Even authoritarian regimes hold elections – to boost their democratic credentials. External actors should thus push for compliance with term limits and engage in financial and technical cooperation with independent electoral commissions. Moreover, in times of shrinking spaces democratic grassroots movements require flexible aid and, most of all, political support.

    Zwischen Aufbruch und Ernüchterung

    Seit den frühen 1960er Jahren errangen die afrikanischen Staaten schrittweise ihre Unabhängigkeit von den einstigen Kolonialherren. Von der neu gewonnenen Freiheit profitierte jedoch nur eine kleine Elite. In den meisten Ländern entstanden autoritäre Regime, die geprägt waren von einer hohen Konzentration politischer und wirtschaftlicher Macht. Viele dieser Regime waren äußerst langlebig. Erst zu Beginn der 1990er Jahre erfasste die „dritte Welle der Demokratisierung“ – in der Regimewechsel zum Sturz langjähriger Autokratien in Süd- und Osteuropa sowie Lateinamerika geführt hatten – auch Afrika. Zwischen 1990 und 1994 wurden 35 Umbrüche gezählt, bei denen Forderungen nach mehr Demokratie eine zentrale Rolle spielten (Bratton und van de Walle 1997: 4). Dieser demokratische Wandel in Subsahara-Afrika fand trotz schlechter Ausgangsbedingungen statt: Obwohl zen­trale Voraussetzungen für Demokratie fehlten, wie ein Mindestmaß an wirtschaftlichem Wohlstand, Rechtsstaatlichkeit, eine nationale Identität und stabile staatliche Institutionen, gingen die Menschen für mehr politische Teilhabe auf die Straßen. Die anfängliche Euphorie über die demokratischen Umbrüche unter schwierigen Bedingungen wich jedoch schnell der Ernüchterung, denn viele Regime stagnierten schon bald in einer Grauzone zwischen Demokratie und Autokratie.

    Wie steht es heute – etwa 25 Jahre nach den großen politischen Umbrüchen – um die Demokratie in Afrika? Die neuere Demokratieforschung betont, dass die Eigenheiten und spezifischen Konstellationen jedes Landes wichtig sind, um den jeweiligen Werdegang erklären zu können (Haggard und Kaufman 2016a). Nichtsdestotrotz lassen sich nach Nic Cheeseman (2015) grob drei Gruppen unterscheiden:

    Die erste Gruppe umfasst stabile Demokratien. Dazu gehören demokratische Frühentwickler wie Botswana und Mauritius, wo politischer Wettbewerb und Mitbestimmung seit der Unabhängigkeit fest im politischen Leben verankert sind. Zudem haben sich seit den 1990er Jahren in Ländern wie Benin, Ghana und Namibia demokratische Praktiken etabliert. Dort finden regelmäßig Wahlen statt, die Justiz genießt ein Mindestmaß an Unabhängigkeit, die Medien können sich kritisch äußern und die Opposition hat reale Chancen auf die Macht.

    Eine zweite Gruppe besteht aus Staaten, in denen sich autoritäre Herrschaftsformen verfestigt haben und die Opposition, sofern vorhanden, massiver Repres­sion ausgesetzt ist. Länder wie Kamerun, Ruanda und Tschad werden seit Beginn der 1990er Jahre kontinuierlich von Autokraten regiert. Obwohl die Länder der ersten und der zweiten Gruppe sich vergleichsweise geradlinig autoritär oder demokratisch entwickelt haben, gibt es einzelne Ausreißer: So wurde das bis dahin als demokratische Erfolgsgeschichte angesehene Mali im Jahr 2012 durch einen Putsch destabilisiert; in Gambia wurde 2016 der Diktator Jammeh nach 22 Jahren an der Macht überraschend abgewählt.

    Die dritte Ländergruppe, die unter anderem Burkina Faso, Mosambik, Simbabwe und Tansania umfasst, bewegt sich in der Grauzone zwischen Demokratie und Autokratie. Charakteristisch für diese Regime sind zwar regelmäßige, aber keinesfalls freie und faire Wahlen. Die Opposition hat daher keine Aussicht auf einen Machtwechsel. Dabei ist die Entwicklung dieser Ländergruppe uneinheitlich: Einige Staaten befinden sich auf dem Weg zu mehr politischem Pluralismus, während sich in anderen autoritäre Tendenzen verstärken. Aber anders als in der Forschung zunächst angenommen, stellt diese Grauzone nicht nur ein Übergangsstadium dar. Die Verbindung von formal demokratischen Institutionen und autoritären Praktiken hat in vielen Ländern stabile Mischformen hervorgebracht.

    Diese grobe Unterteilung ähnelt der von Freedom House vorgenommenen Unterscheidung von freien, teilweise freien und unfreien Regimen. Freie Regime können dabei als Demokratien, teilweise freie als Regime in der Grauzone und nicht freie als Autokratien verstanden werden. Aller Kritik an der auf subjektiven Einschätzungen beruhenden Datenerhebung zum Trotz hilft der Index, die Entwicklung der letzten Jahrzehnte zu skizzieren, da alle Länder Subsahara-Afrikas seit 1973 kontinuierlich nach demokratierelevanten Kriterien bewertet werden. Im Jahr 2016 stellen die teilweise freien Regime, also solche in der Grauzone, mit 20 Ländern die größte Gruppe. Die Anzahl der nicht freien, autoritären Staaten ist mit 19 allerdings nur unwesentlich kleiner. Demgegenüber werden lediglich 9 Staaten als frei klassifiziert. Die Anzahl der Staaten in dieser demokratischen Gruppe ist in den letzten Jahren stabil geblieben. Die Zahl der autoritären Regime hingegen sank zwischen 1985 und 2005. Seit 2007 wächst diese Gruppe der unfreien Staaten allerdings wieder und erreichte 2014 den höchsten Stand seit Mitte der 1990er Jahre. Analog dazu stieg die Zahl der teilweise freien Staaten bis Anfang der 2000er Jahre und ging anschließend leicht zurück.

    Grafik Demokratieentwicklung in Subsahara-Afrika: Anzahl der Staaten mit freien, nicht freien und autoritären Regierungen
    © Eigene Darstellung nach Daten von Freedom House 2017
    Abbildung 1: Demokratieentwicklung in Subsahara-Afrika: Anzahl der Staaten mit freien, nicht freien und autoritären Regierungen
    Grafik Demokratieentwicklung in Subsahara-Afrika: Anzahl der Staaten mit freien, nicht freien und autoritären Regierungen
    © Eigene Darstellung nach Daten von Freedom House 2017
    Abbildung 1: Demokratieentwicklung in Subsahara-Afrika: Anzahl der Staaten mit freien, nicht freien und autoritären Regierungen

    Bedeutung und Grenzen von Machtwechseln

    Das Bild Subsahara-Afrikas war in den Jahrzehnten nach der Unabhängigkeit einerseits von lebenslangen Präsidentschaften und andererseits von häufigen Militärputschen geprägt. Mobutu im damaligen Zaire oder Bokassa in der Zentralafrikanischen Republik standen stellvertretend für Herrscher, die sich und ihr engstes Umfeld auf Kosten des Staates und der Bevölkerung bereicherten und zugleich jegliche politische Opposition brutal unterdrückten. Beide Herrscher verloren ihre Macht durch gewaltsame Umstürze, was vor 1990 den Regelfall darstellte. Im Zeitraum von 1960 bis 1989 wurden 48 Prozent der Machtwechsel in Afrika durch Putsche, Machtübernahmen durch Rebellen oder ausländische Einflussnahme bewirkt. Demgegenüber waren lediglich 5 Prozent der Machtwechsel das Resultat von Wahlen (Carbone und Pellegata 2017).

    Im Gegensatz dazu waren seit den 1990er Jahren Wahlen der wichtigste Mechanismus für Machtwechsel. Präsidenten wurden in 46 Prozent der Fälle durch Wahlen und nur noch in 22 Prozent der Fälle gewaltsam ihres Amtes enthoben (Carbone und Pellegata 2017). Tabelle 1 zeigt diese Entwicklung. Ein friedlicher Machtwechsel ohne Wahlen liegt vor, wenn ein Präsident im Amt verstirbt, zurücktritt oder infolge von Verhandlungen die Macht übergibt. Auch wenn im Verlauf der Jahre die Zahl der gewaltsamen Machtwechsel deutlich abgenommen hat, kommen Militärputsche immer noch vor. Im Jahr 2015 gab es zwei erfolglose Putschversuche in Burkina Faso und Burundi. Zumeist scheitern Versuche von Militärs, gewaltsam die Macht zu übernehmen, weil die Putschisten auf interne und externe Widerstände stoßen. Sowohl die Afrikanische Union als auch Regionalorganisationen wie die Economic Community of West African States (ECOWAS) oder die Southern African Development Community (SADC) haben Regeln für die Ächtung von Putschen erlassen und diese in den letzten Jahren konsequent umgesetzt, wenn notwendig auch mithilfe von Sanktionen. Dieses Engagement ließ sich nach 2009 in Madagaskar und nach 2012 in Mali beobachten.

    Tabelle Machtwechsel in Subsahara-Afrika, 1990 bis 2017
    © Eigene Erhebung basierend auf The Brookings Institution 2015, Goemans, Gleditsch und Chiozza 2009 sowie Carbone und Pellegata 2017 (Stand: 30. Sept. 2017)
    Tabelle 1: Machtwechsel in Subsahara-Afrika, 1990 bis 2017
    Tabelle Machtwechsel in Subsahara-Afrika, 1990 bis 2017
    © Eigene Erhebung basierend auf The Brookings Institution 2015, Goemans, Gleditsch und Chiozza 2009 sowie Carbone und Pellegata 2017 (Stand: 30. Sept. 2017)
    Tabelle 1: Machtwechsel in Subsahara-Afrika, 1990 bis 2017

    Die politischen Umbrüche der frühen 1990er Jahre brachten viele Langzeitpräsidenten wie Hastings Kamuzu Banda in Malawi, Mathieu Kérékou in Benin oder Moussa Traoré in Mali zu Fall. In diesem Klima wurden neue Verfassungen verabschiedet, die das Verlangen der Bevölkerung widerspiegelten, die Macht der Herrschenden einzuschränken. In der Folgezeit wurde in 34 Ländern die maximale Regierungszeit von Präsidenten auf zwei Amtsperioden begrenzt. Präsidentielle Amtszeitbeschränkungen sollen demokratische Machtwechsel erleichtern, da bei Wahlen der Sieg von Amtsinhabern wahrscheinlicher ist als der von Kandidaten der Opposition. Nur 12 Prozent der Wahlen zwischen 1990 und 2009, bei denen Amtsinhaber erneut antraten, wurden von einem Oppositionskandidaten gewonnen. Demgegenüber gewannen Oppositionspolitiker 45 Prozent der Wahlen, bei denen kein Amtsinhaber zur Wahl stand (Cheeseman 2010: 142). Die Gründe für das gute Abschneiden von Amtsinhabern sind vielfältig. Sie haben einen größeren Bekanntheitsgrad und können mit in der Regierungszeit erfolgreich umgesetzten Projekten werben. Darüber hinaus nutzen viele ihre Amtszeit, um ihre Unterstützernetzwerke durch lukrative Posten oder begünstigende Politikentscheidungen enger an sich zu binden. Zudem haben Amtsinhaber Zugang zu staatlichen Ressourcen, die sie im Wahlkampf einsetzen.

    Machtwechsel wirken der Verfestigung solcher politischen Netzwerke zumindest kurzfristig entgegen. Darüber hinaus führen regelmäßige Wahlen, selbst wenn sie nicht völlig frei und fair sind, dazu, dass alle Beteiligten Wahlen als einzigen Weg des Machterhalts oder Machtwechsels akzeptieren und demokratische Praktiken einüben (Lindberg 2006). Diese demokratische Dividende von Wahlen ist theoretisch noch größer, wenn es tatsächlich zu einem Machtwechsel kommt. Nach wiederholten Machtwechseln können sich Politiker darauf verlassen, dass sie politische Macht an der Wahlurne zwar verlieren, aber auch wiedererlangen können. Dies steigert die Anreize für die politische Elite, demokratische Institutionen zu respektieren. In der Praxis lassen sich die positiven Auswirkungen von Machtwechseln aber nicht immer beobachten. Kenia, Madagaskar und Senegal sind Beispiele für Länder, in denen Oppositionspolitiker Präsidentschaftswahlen um die Jahrtausendwende gewonnen, nach ihrer Machtübernahme aber autoritäre Praktiken fortgesetzt oder gar intensiviert haben. Nichtsdestotrotz erhöhen Machtwechsel das Vertrauen der Bevölkerung in die Demokratie. Die Auswertung von Afrobarometer-Umfragedaten hat gezeigt, dass sowohl die Zustimmung zur Demokratie als auch das Vertrauen in den Fortbestand von Demokratie in den afrikanischen Ländern steigt, in denen Machtwechsel stattgefunden haben (Cho und Logan 2014; Moehler und Lindberg 2009).

    Drohende Machtwechsel können Regierende aber auch dazu verleiten, den demokratischen Wettbewerb zu beschneiden, um sich an der Spitze des Staates zu halten. Sie manipulieren die Justiz, erlassen Änderungen der Wahlgesetze zu ihrem eigenen Vorteil und versuchen, die eigene Popularität durch eine übermäßige Präsenz in den staatlichen Medien zu steigern. Eine der prominentesten, aber auch umstrittensten Strategien ist das Aushebeln oder gar Abschaffen präsidentieller Amtszeitbeschränkungen. Zwischen 1990 und 2016 haben Präsidenten in 18 Fällen versucht, Amtszeitbeschränkungen zu umgehen (Tull und Simons 2017). Allein im Jahr 2015 wurden Amtszeitbeschränkungen in Burundi, der Republik Kongo und Ruanda missachtet oder sogar offiziell abgeschafft. Auch wenn letztlich 15 dieser Versuche von Amtsinhabern erfolgreich waren, zeigen doch die großen Anstrengungen, die Präsidenten zur Begründung und Durchführung dieser Versuche auf sich nehmen mussten, die Bedeutung solcher Regelungen. Zudem scheiterten einige Initiativen bereits im Anfangsstadium. Dabei trug zivilgesellschaftliche Mobilisierung entscheidend zum Erhalt von Amtszeitbeschränkungen in Ländern wie Burkina Faso bei.

    Druck von unten: Die Rolle der Zivilgesellschaft

    Zu Beginn der 1990er Jahre spielten zivilgesellschaftliche Organisationen und deren Aktivitäten eine wichtige Rolle beim Sturz langjähriger afrikanischer Autokraten. Etwa die Hälfte der damaligen Umbrüche in Subsahara-Afrika wurde durch Massenmobilisierung entscheidend vorangetrieben (eigene Berechnung auf Grundlage von Haggard und Kaufman 2016b). Diese Entwicklung hatte ihren Ursprung bereits in den 1980er Jahren, als die wachsende Unzufriedenheit der Bevölkerung mit wirtschaftlicher Stagnation und mangelnden politischen Freiheiten die Entstehung einer dynamischeren Zivilgesellschaft begünstigte. Diese Zivilgesellschaft umfasste einerseits traditionelle Organisationen wie Gewerkschaften und Kirchen, die sich zunehmend kritischer gegenüber langjährigen Herrschern äußerten, und andererseits neuere Nichtregierungsorganisationen (Non-Governmental Organizations, NGOs), die im Bereich von Gesundheit und Bildung tätig waren, aber auch explizit Rechte wie Versammlungs- und Meinungsfreiheit einforderten. Zivilgesellschaftliche Gruppen kanalisierten den Unmut der Bevölkerung und übten so gezielten Druck auf die herrschende Elite aus. Zudem profitierten neue regimekritische Bewegungen von den Strukturen bereits bestehender zivilgesellschaftlicher Organisationen. Dies galt insbesondere für die im Untergrund oder Ausland agierende politische Opposition, solange sie in den jeweiligen Einparteienregimen offiziell verboten war. In Mali beispielsweise trafen sich oppositionelle Gruppen vor und während des Umsturzes 1991 in sogenannten kulturellen Zentren und im Hauptgebäude der Gewerkschaft.

    Zivilgesellschaftlicher Aktivismus spielte aber nicht nur bei den politischen Umstürzen zu Beginn der 1990er Jahre eine wichtige Rolle, sondern auch in der darauffolgenden Phase der Konsolidierung. Es gibt einen nachweislichen Zusammenhang zwischen einer erfolgreichen Demokratisierung und einer lebendigen Zivilgesellschaft. Im Fall schwacher politischer Institutionen üben zivilgesellschaftliche Organisationen eine wichtige Vorbild- und Kontrollfunktion aus. Eine pluralistische Zivilgesellschaft kann den Grundstein dafür legen, dass gesellschaftspolitische Aushandlungsprozesse offen, fair und friedlich stattfinden. Zudem können zivilgesellschaftliche Organisationen politische Fehlentwicklungen anprangern. Insbesondere durch Wahlbeobachtung liefern zivilgesellschaftliche Gruppen einen wichtigen Beitrag zu demokratischer Regierungsführung.

    Als Reaktion auf das kritische Potenzial der Zivilgesellschaft versuchen afrikanische Regierende knapp drei Jahrzehnte nach dem als „zivilgesellschaftliche Revolution“ (Rutzen 2015: 28) titulierten Siegeszug von NGOs zunehmend, die Handlungsfähigkeit und Legitimität der Zivilgesellschaft zu begrenzen. Zwischen 2010 und 2015 registrierte das International Center for Non-Profit Law (ICNL) 26 gesetz­liche Initiativen, die den Handlungsspielraum zivilgesellschaftlicher Organisationen in Subsahara-Afrika einschränkten. Afrika ist damit der Kontinent mit den zweitmeisten Vorfällen nach Süd- und Zentralasien. Zuletzt verschärfte sich die Situation weiter: Allein seit 2015 wurden 14 neue Vorfälle registriert. Dazu gehören neue NGO-Gesetze, die 2016 im Südsudan und 2015 in Uganda erlassen wurden, das Einfrieren der Mittel führender Menschenrechtsorganisationen in Burundi und Kenia im selben Jahr und Prozesse gegen kritische Blogger in Äthiopien. Dieses als „Shrinking Spaces“ bezeichnete Phänomen betrifft insbesondere Regime in der Grauzone. In solchen Staaten gibt es zumeist eine relativ dynamische Zivilgesellschaft. Deren Forderungen nach Demokratie und Menschenrechten stehen aber den Versuchen der Herrschenden entgegen, die eigene Macht notfalls auch mithilfe von Wahlmanipulationen und der Repression Andersdenkender zu festigen.

    Ein bekanntes Beispiel für Angriffe auf die Handlungsfähigkeit von zivilgesellschaftlichen Organisationen ist die Begrenzung finanzieller Unterstützung von außen. Daneben erlassen Regierungen gesetzliche Hürden für die Registrierung von NGOs, überwachen regimekritische Organisationen und schränken die Arbeit in politisch sensiblen Bereichen ein. Betroffen von solchen Maßnahmen sind NGOs in Angola, Äthiopien, Äquatorialguinea, Burundi, der Demokratischen Republik Kongo, Eritrea, Mosambik, Nigeria, Ruanda, Sambia, Senegal, Sierra Leone, Simbabwe, Sudan, Tansania und Uganda. In Simbabwe wird das gesamte Arsenal an Maßnahmen angewandt: Der Private Voluntary Organizations Act schreibt ein komplexes Registrierungsprozedere vor. Internationale NGOs müssen darüber hinaus ein Abkommen mit der simbabwischen Regierung unterzeichnen, das ihren Aufgabenbereich definiert. Zivilgesellschaftlichen Organisationen, die in der politischen Bildung tätig sind, ist die Finanzierung aus dem Ausland grundsätzlich verboten. Dies trifft NGOs hart, da sie aufgrund der schwierigen ökonomischen Situation kaum über eigene Mittel verfügen. Darüber hinaus darf der zuständige Minister die Aktivitäten zivilgesellschaftlicher Organisationen überwachen und ihnen die Akkreditierung entziehen, wenn dies „im öffentlichen Interesse“ ist. Diese Bestimmung ist bewusst vage gehalten, sodass NGOs behördlicher Willkür ausgesetzt sind. Ähnliche Gesetze wurden unter anderem auch 2009 in Äthiopien und 2016 in Uganda erlassen.

    Viele Regime, beispielweise das in Simbabwe, stellen zudem die Legitimität zivilgesellschaftlicher Organisationen in Frage. Sie werfen ihnen vor, als Handlanger des Westens zu agieren und in ihrer Arbeit nicht ausreichend Bezug zu lokalen Problemen herzustellen. Zusammen mit den gesetzlichen Einschränkungen setzen solche Vorwürfe der internationalen Demokratieförderung enge Grenzen. Selbst wenn bestehende Kooperationen innerhalb neu definierter Grenzen fortgesetzt werden können, geraten lokale Organisationen durch Zusammenarbeit mit externen Gebern in die Gefahr der Diskreditierung. Einige NGOs mussten ihre Aktivitäten aufgrund bürokratischer Hürden und fehlender Mittel daher zurückfahren.

    Allerdings gelingt es den Machthabern nicht, bürgerschaftliches Engagement vollständig zu ersticken. Die Zivilgesellschaft zeigt einen kreativen Umgang mit den bestehenden Einschränkungen und weicht auf andere, oftmals weniger institutionalisierte Organisationsformen aus. Dem Armed Conflict Location and Event Data Project (ACLED) zufolge hat sich die Zahl der Teilnehmer an Massendemonstrationen zwischen 2009 und 2014 mehr als vervierfacht. Die unter dem Schlagwort „afrikanischer Frühling“ zusammengefasste zivilgesellschaftliche Mobilisierung richtete sich gegen so unterschiedliche Probleme wie steigende Lebenshaltungskosten, Korruption, Wahlbetrug, die Verletzung von Amtszeitbeschränkungen und Polizeigewalt. Die Proteste in Simbabwe im Jahr 2016 stehen exemplarisch für die Verbindung von politischen und sozioökonomischen Forderungen. Teilnehmer des landesweiten Generalstreiks, die sich vor allem über soziale Medien vernetzen, forderten die Zahlung ausstehender Löhne, aber auch ein Ende der Ära Mugabe.

    Der Erfolg solcher Bewegungen war bisher begrenzt. Die politischen Proteste in Äthiopien 2016 wurden von der Regierung brutal niedergeschlagen. Auch in Simbabwe hält sich Präsident Mugabe trotz der Demonstrationen weiter an der Macht, was nicht zuletzt auf die Schwäche der Oppositionsparteien zurückzuführen ist. Demgegenüber stehen Erfolgsfälle wie Burkina Faso. Dort gelang es Aktivisten nicht nur, die Aufhebung der Amtszeitbeschränkung zu verhindern. In der Folge musste Präsident Compaoré, einer der dienstältesten Herrscher Subsahara-Afrikas, abdanken. Definiert man Erfolg nicht im engen Sinne als Regimewechsel, haben auch jene zivilgesellschaftlichen Bewegungen einen Grundstein für tiefgreifenden Wandel gelegt, deren Forderungen sich (vorerst) nicht erfüllt haben, indem sie als Keimzellen für die Entwicklung neuer Vorstellungen von demokratischer Partizipation wirken (Branch und Mampilly 2015).

    Gezielte Förderung von Institutionen und Zivilgesellschaft

    Die Entwicklung der Demokratie in Subsahara-Afrika ist aus Sicht externer Beobachter geprägt von vielschichtigen und widersprüchlichen Trends. Je nachdem, ob Erfolgsfälle oder Fehlschläge im Mittelpunkt der Betrachtungen stehen, unterscheiden sich die Einschätzungen stark. Ein solcher Blick von außen auf die Demokratieentwicklung Afrikas muss ergänzt werden durch ein detaillierteres Verständnis davon, was Afrikaner unter Demokratie verstehen und welche Erwartungen sie an Demokratie knüpfen. Dies kann auch helfen, unterschiedliche Einschätzungen besser einzuordnen. Das Afrobarometer erfasste in den Jahren 2014/2015 die Einstellungen von Afrikanern in 36 Ländern des Kontinents; die Ergebnisse sind in Abbildung 2 zusammengefasst. Auf die Frage nach dem Demokratieverständnis verwies ein Großteil der Befragten auf zentrale Elemente liberaler Demokratie wie persönliche Freiheiten, Wahlen und Parteienwettbewerb. Eine nennenswerte Zahl der Teilnehmer an der Umfrage verbindet mit Demokratie aber auch Wünsche nach Frieden, Einheit, Gleichheit, Gerechtigkeit oder sozioökonomischer Entwicklung, die ungleich schwerer zu erfüllen sind als formale politische Teilhabe.

    Grafik Bedeutung von Demokratie: Einstellungen in 36 Staaten Subsahara-Afrikas in den Jahren 2014/2015
    © Afrobarometer (2016), Übersetzung der Autorinnen
    Abbildung 2: Bedeutung von Demokratie: Einstellungen in 36 Staaten Subsahara-Afrikas in den Jahren 2014/2015
    Grafik Bedeutung von Demokratie: Einstellungen in 36 Staaten Subsahara-Afrikas in den Jahren 2014/2015
    © Afrobarometer (2016), Übersetzung der Autorinnen
    Abbildung 2: Bedeutung von Demokratie: Einstellungen in 36 Staaten Subsahara-Afrikas in den Jahren 2014/2015

    Nichtsdestotrotz sind Wahlen Voraussetzung für Demokratie. Daher ist die Unterstützung von Wahlen immer noch ein zentraler Bestandteil der Demokratieförderung. Forschungsergebnisse zu elektoralen Autokratien (Schedler 2006) – also Regimen, die trotz regelmäßiger Urnengänge keine demokratischen Standards erfüllen – haben Wahlen in Verruf gebracht. Werden Wahlen jedoch von Institutionen und Regelungen flankiert, die freien und fairen Wettbewerb sicherstellen, sind sie ein Grundpfeiler politischer Partizipation und Freiheit. Dazu gehören nicht nur Amtszeitbeschränkungen, sondern auch unabhängige Wahlkommissionen und Gerichte. Diese können dazu beitragen, kontroverse Abstimmungen friedlich und transparent durchzuführen – wie die Präsidentschaftswahlen 2008 und 2012 in Ghana –, aber auch selbst Teil der politischen Auseinandersetzungen werden, wie zuletzt in Kenia geschehen. Insgesamt lassen sich Wahlen deutlich schwerer fälschen, wenn der Prozess durch eine nicht nur auf dem Papier, sondern auch faktisch unabhängige Wahlkommission, eine unabhängige Justiz und freie Medien sowie eine aktive Zivilgesellschaft begleitet wird (Birch und Van Ham 2017).

    In Zeiten von „Shrinking Spaces“ ist eine zweite zentrale Herausforderung für die Demokratieförderung das Verhältnis externer Akteure zur Zivilgesellschaft. Westliche Regierungen haben unterschiedlichste Instrumente entwickelt. Das EU-Programm für zivilgesellschaftliche Organisationen und lokale Autoritäten („Civil Society Organisations and Local Authorities Programme“), das gezielt nichtstaatliche Akteure unterstützt, sofern dies im Rahmen bestehender Gesetze möglich ist, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Eine Flexibilisierung der Regelungen für den Umgang mit EU-Geldern im Bezug darauf, welche Empfänger und Verwendungszwecke als förderungswürdig klassifiziert werden, würde lokalen NGOs darüber hinaus helfen, auch unter schwierigen Umständen an externe Mittel zu kommen. Auch die Hilfe für Menschenrechtsaktivisten vor Ort oder im Fall schwerwiegender Verfolgungen durch humanitäre Visa kann noch weiter ausgebaut werden. Um die afrikanische Zivilgesellschaft in ihrem Kampf für Demokratie und Menschenrechte nachhaltig zu stärken, sollte dieser praktische Umgang mit Einschränkungen durch eine breite politische Debatte zwischen westlichen Gebern und afrikanischen Regierungen ergänzt werden. Bei der weiteren Zusammenarbeit mit lokalen Organisationen müssen westliche Akteure Kosten und Nutzen gegeneinander abwägen. Zu den Kosten gehört, dass die unvermeidliche Akzeptanz bestehender Einschränkungen zur Legitimierung restriktiver Gesetze beiträgt. Der Nutzen besteht darin, dass NGOs in autoritären Kontexten der Rücken gestärkt wird. Die Abwägung kann in Einzelfällen zu unterschiedlichen Ergebnissen führen – vor allem, wenn es in den jeweiligen Ländern ungleiche Handlungsspielräume gibt. Kontraproduktiv sind allerdings unterschiedliche Reaktionen auf ähnliche Gesetzesinitiativen zur Einschränkung der Zivilgesellschaft. Westliche Akteure sollten nicht den Anschein erwecken, vergleichbare Restriktionen, beispielsweise in Äthiopien und Simbabwe, unterschiedlich scharf zu verurteilen. Wo externe Unterstützung durch staatliche Entwicklungszusammenarbeit faktisch unmöglich ist, gewinnt zudem die Zusammenarbeit westlicher NGOs mit zivilgesellschaftlichen Organisationen auf dem afrikanischen Kontinent an Bedeutung.


    Footnotes


      References

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      • Birch, Sarah, und Carolien Van Ham (2017), Getting Away with Foul Play? The Importance of Formal and Informal Oversight Institutions for Electoral Integrity, in: European Journal of Political Research, 56, 3, 487-511.

      • Branch, Adam, und Zachariah Mampilly (2015), Africa Uprising: Political Protest and Political Change, London: ZED Books.

      • Bratton, Michael, und Nicholas van de Walle (1997), Democratic Experiments in Africa: Regime Transitions in Comparative Perspective, Cambridge: Cambridge University Press.

      • Carbone, Giovanni, und Alessandro Pellegata (2017), Researching the Dynamics of Leaders’ Replacement: The Africa Leadership Change (ALC) Dataset, in: European Political Science, online first, 1-24, https://link.springer.com/article/10.1057/s41304-016-0099-y (8. November 2017).

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      How to cite this article

      Julia Grauvogel, and Charlotte Heyl (2017), Democracy in Africa: Against All Odds, GIGA Focus Africa, 7, Hamburg: German Institute for Global and Area Studies (GIGA), http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-54760-2


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