GIGA Focus Nahost

Reformkampagne in Saudi-Arabien: Brise oder Sturm?

Nummer 11 | 2007 | ISSN: 1862-3611


  • Nachdem das Reformtempo in Saudi-Arabien seit 2005 deutlich zurückgegangen war, wurden im Oktober 2007 wichtige Neuerungen – namentlich im Justizwesen und bei der Thronfolge – beschlossen. Kurz davor hatte Prinz Talal Ibn Abd al-Aziz, ein prominentes Mitglied des Königshauses, die Gründung einer politischen Partei angekündigt.

    Analyse:

    Die Reformen dienen der innenpolitischen Stabilisierung, sollen aber auch Stellung und Prestige Saudi-Arabiens im Westen aufwerten. Die nach dem 11. September 2001 entstandene Krise in den Beziehungen zu den USA ist zwar – vor allem auf Grund gemeinsamer Wirtschaftsinteressen – offiziell beigelegt, aber die Herrscherfamilie Sa‘ud vermisst weiterhin eine eindeutige Unterstützung ihrer Nahostpolitik und moniert anhaltende US-amerikanische Kritik an ihrer Innenpolitik. Die Europareise des saudischen Königs Abdullah Anfang November 2007 diente in diesem Zusammenhang dazu, den außenpolitischen Handlungsspielraum zu erweitern und Saudi-Arabien auch hier als lukrativen Partner zu empfehlen. Außerdem:

    • Saudi-Arabien strebt eine Führungsrolle im Nahen Osten an. Dabei stellt es sich als mächtiger Anwalt arabischer, sunnitischer und westlicher Interessen dar. Auf dem projizierten Gegenpol steht Iran als nichtarabischer, schiitischer und antiwestlicher „Unruhestifter“. Innenpolitische Reformen erscheinen als probates Mittel, um im Westen Zweifel auszuräumen, ob Saudi-Arabien tatsächlich der richtige Anwalt ist.

    • Richtung und Intensität des Reformprozesses spiegeln den wachsenden Machtkampf innerhalb der Herrscherfamilie wider. Das ausgeglichene Kräfteverhältnis zwischen Gegnern und Befürwortern von Reformen bestimmt das Tempo.

    • Trotz des großen Engagements Einzelner bleibt der Veränderungsdruck aus der Gesellschaft insgesamt schwach. Das liegt am grundsätzlich konservativen Charakter der saudischen Gesellschaft. Deshalb sind substanzielle Veränderungen vorerst nur mit dem und nicht gegen das Königshaus möglich.

    • Die Kombination aus Pattsituation in der Herrscherfamilie und geringem Reformdruck aus der Gesellschaft bewirkt, dass die Reformen in Saudi-Arabien bisher eher einer Brise als einem Sturm gleichen.


    Fußnoten



      Wie man diesen Artikel zitiert

      Henner Fürtig (2007), Reformkampagne in Saudi-Arabien: Brise oder Sturm?, GIGA Focus Nahost, 11, Hamburg: German Institute for Global and Area Studies (GIGA), http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-274828


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      GIGA Focus Nahost | 3/2014

      Alte Ziele, neue Taktik – Saudi-Arabiens außenpolitischer Aktivismus

      Anna Sunik

      Former Doctoral Researcher

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