In Brief

Schlechte Zeiten für afrikanische Autokraten

Erst als die Nachbarn einmarschierten, gab der abgewählte Langzeitpräsident in Gambia seine Macht ab. Dahinter steht trotzdem eine gute Entwicklung, schreibt Matthias Basedau bei ZEIT ONLINE.

Gambians take to the street in jubilations as Adama Barrow is sworn-in as President of Gambia in Banjul
© Reuters / Afolabi Sotunde
Gambians take to the street in jubilations as Adama Barrow is sworn-in as President of Gambia in Banjul
© Reuters / Afolabi Sotunde

Gambia hat einen neuen Präsidenten. Eigentlich schon seit Dezember, doch es brauchte die Intervention der westafrikanischen Nachbarn, damit der Langzeitherrscher Yahya Jammeh die Wahlniederlage gegen den Immobilienmakler Adama Barrow akzeptierte und die Macht abgab. Jammeh hatte dem überraschenden Sieger erst noch gratuliert, doch schon bald besann er sich eines Schlechteren, machte Unregelmäßigkeiten geltend und klammerte sich an das Amt. Die Regionalorganisation Ecowas beschloss einen Militäreinsatz unter Führung des Senegals und Nigerias, abgesegnet von der UN – denn alle Verhandlungsversuche hatten nichts gefruchtet. Bevor es viele Tote und Verletzte gegeben hätte, konnten hochrangige Vermittler Jammeh vor wenigen Tagen davon überzeugen, in ein Flugzeug zu steigen, das ihn in sein vorläufiges Exil nach Äquatorialguinea brachte – offenbar unter Zusicherung der Straffreiheit für Menschenrechtsverletzungen und Korruption.

Ist das alles nur eine weitere Episode aus dem Krisenkontinent Afrika, wo erratische Despoten ihre Länder ins Unglück stürzen und Militärinterventionen nur weiteres Blutvergießen und Chaos heraufbeschwören?

Der Sturz Jammehs ist weit eher ein Zeichen der Hoffnung als ein Warnsignal. Tatsächlich fügt sich die Intervention ein in eine Reihe von Entwicklungen im Afrika südlich der Sahara, die Mut machen: Militärputsche und andere offen nicht verfassungsgemäße Machtübernahmen werden von den regionalen Organisationen nicht mehr hingenommen und regelmäßig mit Suspendierung des betreffenden Landes quittiert. Militärputsche sind deutlich seltener geworden. Wenn sie stattfinden, resultieren daraus keine Militärdiktaturen. Die neuen Regierungen beeilen sich, Neuwahlen zu organisieren und zu zivilen Regierungen zurückzukehren.

Zudem werden die Machtwechsel durch reguläre Wahlen häufiger. Die Wahlniederlage Goodluck Jonathans in Nigeria im Jahr 2015 war ein Meilenstein für Nigeria, das bevölkerungsreichste Land des Kontinents. Zuvor war dort noch nie ein amtierender Präsident friedlich abgewählt worden. Zuletzt wählte Ghana den amtierenden Präsidenten ab. Auch im benachbarten Senegal scheiterte der frühere Präsident Wade 2012 damit, seine Herrschaft auf eine dritte, nicht verfassungsgemäße Amtszeit auszudehnen. Der Senegal und Wades Nachfolger Macky Sall waren mitentscheidend beim Sturz Jammehs. Der Wahlsieger Barrow wurde in der gambischen Botschaft in der senegalesischen Hauptstadt Dakar vereidigt, als sich Jammeh noch an der Macht sah.

Jammeh war ein Präsident mit besonderen Eigenschaften. Er behauptete, Aids und Unfruchtbarkeit heilen zu können, und erklärte Homosexuelle zu Feinden der Menschheit. An die Macht war er 1994 durch einen Militärputsch im Alter von gerade 29 Jahren gekommen. Danach ließ er zwar regelmäßig Wahlen abhalten, die aber demokratischen Standards kaum genügten. In mancher Hinsicht erinnerte er an bizarre Despoten wie den zentralafrikanischen Kaiser Bokassa oder den ugandischen Diktator Idi Amin, die jahrzehntelang den Ruf des Kontinents geprägt haben. Mittlerweile jedoch sind harte Diktaturen im Afrika südlich der Sahara längst nicht mehr die Regel und stellen nach Schätzungen des Bertelsmann Transformation Index weniger als ein Drittel der Staaten dar. Eine solche harte Diktatur ist bezeichnenderweise Äquatorialguinea, in das Jammeh nun ausgereist ist.

Interventionen gegen gewichtigere Staaten weniger wahrscheinlich

Die Zeiten haben sich geändert: Auch gewaltsame Konflikte werden zunehmend konstruktiv bearbeitet. Friedensmissionen werden oft von der Afrikanischen Union und den regionalen Unterorganisationen wie der Ecowas übernommen. Die westliche Öffentlichkeit nimmt währenddessen kaum wahr, dass die Gewaltsamkeit in Afrika über die vergangenen Jahrzehnte zurückgegangen ist – auch ein Verdienst der Regionalorganisationen. Einiges spricht dafür, dass sich die AU und regionale Zusammenschlüsse zunehmend in Richtung von Sicherheits- und Wertegemeinschaften entwickeln, die die Durchsetzung rechtsstaatlicher und demokratischer Prinzipien und die Wahrung des Friedens nicht nur verbal fordern, sondern auch aktiv forcieren.

Diese Entwicklung sollte man nicht überbewerten. Oftmals geben sich Regionalorganisationen mit der formalen Wiederherstellung der Demokratie zufrieden. Wenn gewichtigere Staaten als der Mikrostaat Gambia Gegenstand von Krisen sind, werden auch die Interventionen weniger wahrscheinlich. In den Fällen Burundi und Simbabwe ist der Druck gegen die Präsidenten, die beharrlich an der Macht festhalten, weitaus geringer. Einen Hoffnungsschimmer gibt es allerdings in der Demokratischen Republik Kongo, wo der langjährige Potentat Joseph Kabila in Aussicht gestellt hat, bei den bevorstehenden Wahlen nicht mehr anzutreten.

Natürlich sind militärische Interventionen – und selbst ihre Androhung – ein zweischneidiges Schwert. Wenn es soweit kommt, sterben Menschen, und die Auswirkungen sind oft unvorhersehbar oder im schlimmsten Fall katastrophal. Bei der Intervention gegen einen Putschversuch in Gambia im Jahre 1981 gab es eine große Zahl von Opfern. Libyen gilt vielen als Beispiel für eine völlig verfehlte Interventionspolitik. Andere Krisen und Probleme dürfen ebenso wenig geleugnet werden. Religiös konnotierte Gewalt hat in Afrika in den vergangenen Jahren zugenommen. Insbesondere Mali, Nigeria und Somalia sowie deren Nachbarstaaten haben damit zu kämpfen.

Schließlich bedeutet der Sturz eines Autokraten nicht unbedingt, dass sich alles zum Besseren wenden wird. Ob der neue Präsident ein mustergültiger Demokrat sein wird und sein Regierungshandeln ausschließlich in den Dienst der Bevölkerung Gambias stellen wird, ist erst einmal eine Hoffnung. Die Abdankung Jammehs wurde überdies anscheinend mit der Zusicherung der Straflosigkeit erkauft. Barrow hat zwar eine Wahrheits- und Versöhnungskommission angekündigt. Aber Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass die Opfer von Menschenrechtsverletzungen damit oft nicht zufriedengestellt werden können. Zudem ist die Signalwirkung auf andere Autokraten zwiespältig. Die Straflosigkeit war aber offenbar der Preis dafür, die Krise unblutig zu beenden.

So bleibt das Fazit in der Causa Jammeh positiv. Ein schlechtes Signal für Autokraten. Die Zeit bizarrer Despoten in Afrika scheint zunehmend vorbei.

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