GIGA Focus Nahost

Die Debatte über den Sommerkrieg 2006 im Nahen Osten

Nummer 12 | 2006 | ISSN: 1862-3611


  • Der vor einem halben Jahr in Israel, dem Libanon und dem Gazastreifen ausgetragene Sommerkrieg hat eine heftige internationale Debatte darüber ausgelöst, welche Folgerungen in Bezug auf ethische und völkerrechtliche Standards für Staaten zu ziehen seien, die gegen nichtstaatliche Akteure zu Felde ziehen. Die Auseinandersetzung hat längst die Kreise der Wissenschaft überschritten und eine breite Öffentlichkeit erreicht.

    Analyse:

    • Der in Israel, dem Libanon und dem Gazastreifen geführte Sommerkrieg 2006 im Nahen Osten hat eine Debatte wiederbelebt, die durch die westlichen Reaktionen auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 ausgelöst worden war: Wie sollen Staaten auf die Herausforderungen des Terrorismus reagieren? Sollen Staaten bei Angriffen feindlicher nichtstaatlicher Akteure an ethischen Prinzipien gemessen werden, wie sie durch das Kriegsvölkerrecht und die normative „Lehre vom Gerechten Krieg“ konstituiert werden? Die Gegner einer solchen Position verweisen darauf, dass die im 19. und 20. Jahrhundert entwickelten Standards auf einer Prämisse beruhen, die beim Sommerkrieg 2006 schlicht nicht erfüllt war: dass Kriege dem westfälischen Prinzip entsprechend von Staaten – und nur von diesen – geführt werden.

    • Die Implikationen des Sommerkrieges reichen weit über die betroffene Weltregion hinaus: Die Zunahme nationalstaatliche Grenzen überschreitender Gewalt ist ein globales Phänomen, dessen Bedeutung mit einiger Wahrscheinlichkeit weiter wachsen wird. Einige Beiträge – und damit die Qualität der Debatte über den Sommerkrieg insgesamt – leiden an zwei Defiziten: Zum einen neigen Regionalspezialisten mitunter dazu, vorschnell Eindeutigkeit auf normativer und theoretischer Ebene herzustellen. Auf der anderen Seite krankt die Debatte aber auch daran, dass nicht alle, die sich zu Wort melden, über ein breites empirisches Wissen verfügen. Dieses ist aber essenziell, denn die Debatte entfaltet sich aus guten Gründen nicht nur auf der Folie abstrakter Modelle, sondern auch anhand konkreter gewaltsamer Auseinandersetzungen.

    • Die Debatte über den Sommerkrieg dreht sich zunächst um die Frage, ob die Mittel, die Israel im Sommerkrieg einsetzte, verhältnismäßig waren. Aus wissenschaftlicher Perspektive ist indes eine zweite kontrovers diskutierte Frage ebenfalls von großer Relevanz: Soll aus dem Sommerkrieg die Lehre gezogen werden, das Völkerrecht künftig auf kriegerische Auseinandersetzungen zu beschränken, an denen nur Staaten beteiligt sind?


    Fußnoten



      Wie man diesen Artikel zitiert

      Martin Beck (2006), Die Debatte über den Sommerkrieg 2006 im Nahen Osten, GIGA Focus Nahost, 12, Hamburg: German Institute for Global and Area Studies (GIGA), http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-274106


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