GIGA Focus Nahost

Autoritarismus von unten: Lokale Politik in Ägypten

Nummer 12 | 2008 | ISSN: 1862-3611


  • Steigende Nahrungsmittel- und Energiekosten in Vebindung mit hoher Arbeitslosigkeit und Hyperinflation haben 2008 häufig zu Streiks und Protesten in vielen arabischen Staaten geführt. In Bahrain protestierten Anfang Februar Arbeitsemigranten gegen die sinkende Kaufkraft. Im Mai nahmen junge Leute im algerischen Oran die Niederlage ihres Fußballclubs zum Anlass, um allgemein ihrem Frust wegen der Perspektivlosigkeit und Machtarroganz der Herrschenden Luft zu machen. Im Nachbarland Tunesien kam es im Juni in Gafsa, im ärmeren Südwesten des Landes, zu Massenprotesten gegen die im nationalen Vergleich überdurchschnittliche Arbeits- und Perspektivlosigkeit. Auch in Ägypten war 2008 ein Jahr mit intensiver politischer Mobilisierung bei Streiks, Sit-Ins und Protesten gegen steigende Lebensmittelpreise sowie sogar einem Aufruf zum Generalstreik.

    Analyse:

    • Unmittelbarer Auslöser vieler lokaler Proteste im Vorderen Orient sind steigende Lebensmittelpreise, Versorgungsengpässe und nicht erfüllte (Überlebens-)Bedürfnisse. Diese Anlässe zusammen mit Veränderungen in der politischen Kultur – unter anderem durch das Satellitenfernsehen ausgelöst – führen zu vielfältiger und neuer politischer Mobilisierung.

    • Die Staaten und Gesellschaften des Vorderen Orients durchlaufen gerade eine Phase massiver gesellschaftlicher Transformationen – sehr junge Gesellschaften, verstärkter ökonomischer und kultureller Globalisierungsdruck, Veränderung der Geschlechterverhältnisse, Öffnung der politischen Kultur durch vielfältigere Medienlandschaften etc. Diese werden jedoch nicht von politischem Wandel im Sinne einer Liberalisierung oder gar Demokratisierung der Systeme begleitet: Gesellschaftliche Transformation ohne politische Transition lautet die Formel.

    • Die Proteste sozialer Gruppen sind wichtige Herausforderungen für die autoritären Regime in der Region – ihr Zusammenbruch steht jedoch nicht bevor. Zu solide ist das Fundament der autoritären Modernisierung, das seit längerer Zeit auf fünf Strategien beruht: Islamisierung, Informalisierung, Kooptation, begrenzte Liberalisierung und Repression.

    • Allerdings fragt sich, ob die alten Anpassungsstrategien und der damit begründete "soziale Pakt der Informalität" noch tragen. Ob dies so ist, lässt sich besonders gut überprüfen, wenn man die lokale Ebene in den Blick nimmt. Hier zeigen sich nicht nur das alltägliche Funktionieren des Autoritarismus, sondern ebenso die mannigfaltigen Formen des Widerstandes und der Infragestellung autoritärer Herrschaft.


    Fußnoten



      Wie man diesen Artikel zitiert

      Cilja Harders (2008), Autoritarismus von unten: Lokale Politik in Ägypten, GIGA Focus Nahost, 12, Hamburg: German Institute for Global and Area Studies (GIGA), http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-275066


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      Das German Institute for Global and Area Studies (GIGA) – Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien in Hamburg gibt Focus-Reihen zu Afrika, Asien, Lateinamerika, Nahost und zu globalen Fragen heraus. Der GIGA Focus wird vom GIGA redaktionell gestaltet. Die vertretenen Auffassungen stellen die der Autorinnen und Autoren und nicht unbedingt die des Instituts dar. Die Verfassenden sind für den Inhalt ihrer Beiträge verantwortlich. Irrtümer und Auslassungen bleiben vorbehalten. Das GIGA und die Autorinnen und Autoren haften nicht für Richtigkeit und Vollständigkeit oder für Konsequenzen, die sich aus der Nutzung der bereitgestellten Informationen ergeben.

      Prof. Dr. Cilja Harders

      Prof. Dr. Cilja Harders

      Freie Universität Berlin




      GIGA Focus Nahost | 8/2008

      »We’re in the Arab World, man. Forget democracy.« Die schwierige Transformation autoritärer Regime in Nahost

      Hanspeter Mattes

      Ehemals GIGA-Teammitglied

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